Bisher geforscht nach:

Folgenden Gebieten:

Genealogische Forschungen zur eigenen Familie,

Familien Region Brandenburg, besonders Berlin-Buckow und anliegende Gebiete,

jüdischen Familien,

 

Familien von Freunden!

Bücher unseres Vereins:

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Nach folgenden Namen bisher recherchiert:

Baritone, Bath, , Beer, Bergemann,

Biermann, Borchmann,

Brause, Breé, Brehe,

da  Paratoin, Demetz,

Dilg, Ebel, Feldheim,

Frehland, Gänsemüller,

Giebert, Gottschalk, Grünberg, Haschinsky,

Hausmann, Herzbach,

Hofmann, Johannmeier,

Kägeler, Kegeler,

Kampfel, Kampfl, Köllner,

Kühl, Kuhn, Kuhnt, Lambert,

Lärm, Löhr, Lucke,

Marzilger, Matthes, Matz,

Mellech, Michaelis, Nagy,

Nehlius, Neumann, Otto,

Pedratscher, Perathoner,

Pfefferkorn, Poerschke, 

Rimal, Rinow, Rippert,

Runge, Rungaldier, Rzeppa,

Sanoner, Schuband, Seidel,

Storch, Stroisch,

Tambor, Volke, Volkwein,

von Battaglia de Ponte Alto,

von Gasteiger zu Rabenstein

und Kobach,

von Isser, von Klebelsberg

zu Thumburg,

von Mörl zu Mühlen,

Sichlburg und Pfalzen,

von Muchar zu

Bied und Rangfeld,

 Fortsetzung folgt!

In folgenden Orten:

Chicago, Kansas City,

St.Christina, Bruneck,

Bozen, Brixen, Berlin-Buckow, Graz,

Berlin, Deutsch-Rixdorf,

Potsdam, Nowawes,

Ketzin, Knoblauch,

Brandenburg,

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Rötha, Siebenlehn,

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Simmern im Hunsrück,

Werneuchen, Oranienburg,

Alt Ruppin, Neuruppin,

Wejherowo,Danzig,

Hranice, Prag,

Olmütz/Olomoc

Strehlen/Strzelin,

Oppeln/Opole,

Gleiwitz/Gliwice...

Fortsetzung folgt!

 

Ottos Koffer

 

 An dieser Stelle schreibt die Oma in loser Folge an ihre Enkeltochter…

 

Liebe Enkeline,

 

letztes Mal hast du mich gefragt, warum ich eigentlich Koffer sammle. Na ja, ich sammle nicht einfach so Koffer wie andere Leute. Jeder meiner Koffer muss ein Stück unserer Familiengeschichte erzählen.

Ein Koffer ist zum Beispiel von meiner Großtante Hertha. Mit diesem Koffer machte sie viele Reisen mit ihrem Otto. Otto war 25 Jahre älter als sie. Das störte Hertha aber nicht. Sie war eine selbstbewusste Frau, die immer ihr Geld selbst verdient hat. Sie suchte keinen Ernährer und die große Liebe hatte sie ja in Otto gefunden. So verreisten sie oft, denn gerne wollten beide ab und zu dem Trubel der Großstadt Berlin entkommen.

 

Hertha* Martha Selma Berndt, meine Großtante, die Cousine meiner Großmutter, wird am 14. Juli 1907 Berlin geboren. Ihre Geburt wird beim Standesamt VII B angezeigt. Am 18.September wird sie in der Samariterkirche getauft. Diese Kirchengemeinde hat sie ein Leben lang begleitet, so auch unter Pfarrer Eppelmann, einem der Oppositionellen in der DDR. Sie stirbt am 18. März 1999 in Berlin-Friedrichhain mit 91 Jahren.

Ja, wahrlich ein langes Leben. Aber war es auch immer glücklich?

 

Ihre Vorfahren kamen wie viele andere Berliner aus Schlesien und Pommern.

Ihr Vater Paul* Franz Richard Berndt (1878–1915), stammte aus Wittbeck in Pommern, die Mutter Ida* Martha, geb. Mellich (1880–1969), aus Neobschütz/Kreis Strehlen in Schlesien.

Dort heiraten die beiden am 1.August 1906.

Ihre Kinder, Hertha und Margarete werden schon in Berlin geboren.

Der Vater der beiden Mädchen Paul* Franz Richard Berndt war schon am am 28.Juni 1915, also im 1.Weltkrieg, in einem Feldlazarett in Frankreich gestorben. Er war Landsturmmann im Ersatz-Batallion des Infanterie-Regiments 52.

Herthas Schwester Margarete*Ida Hildegard Berndt, (19013-1928) stirbt mit 14 Jahren an einer Herzkrankheit.

Nach dem Tod von Ehemann und Tochter muss Herthas Mutter Ida nun die Beiden alleine durchbringen. Die Rente ihres Mannes, der Maschienenbauer war, reicht nicht. Sie ist Plätterin und übernimmt diverse Hauswartsstellen. Alle diese Unterlagen sind erhalten und ergeben wieder eine Geschichte für sich. Denn das Plätten der Wäsche reicher Leute und das Putzen von Treppen in Berliner Mietshäusern war Frauensache. Mutter Ida und Tochter Hertha schlagen sich nun alleine durchs Leben.

 

Hertha ist eine gute Schülerin, in ihrem Abschlusszeugnis von 1921 steht: „Betragen, Fleiß: sehr gut, Rechnen: sehr gut, alle anderen Fächer: gut.“.

Sie macht in der „Knopf-Perlmutter und Kunsthornwaren-Fabrik Eduard Nauman“ eine kaufmännische Lehre. Die Inhaber sind Eduards Sohn Julius Naumann (1882–1964) und Otto Gottschalk.

 

Otto* Isaak Gottschalk wird am 26. März 1882 in Mainz geboren., im Haus Große Bleiche 45. Das Haus ist im Krieg zerstört worden, aber ich habe eine alte Postkarte gefunden. Otto kommt aus einer jüdischen Familie.

Sein Vater ist der Kleiderfabrikant Gustav Gottschalk aus Essen und dort am 18. Februar 1845 geboren wird. Er stammt aus einer Lohgerberfamilie. Lohgerber ist ein heute kaum noch bekanntes Handwerk, bei dem Rinderhäute zu Leder verarbeitet werden, beispielsweise für Schuhsohlen, Stiefel, Sättel oder Ranzen.

Seine Mutter Johanna Auguste Beer wird am 17. August 1856 in Frankfurt am Main geboren. Deren Vater war Kaufmann, die Mutter arbeitet nach dem frühen Tod des Vaters als Lehrerin.

Otto hat noch einen Bruder, der wie er nach Berlin geht: Heinrich* Moritz Gottschalk. Er wird am 14.November1879 in Mainz geboren. Während Heinrich als Diplom-Ingenieur arbeitet, ist Otto als Kaufmann tätig und steigt später in die Knopfwarenfabrik Eduard Naumann ein.

 

Die Knöpfe wurden auch aus Hirschhorn hergestellt. Die armen Hirsche, wirst du jetzt sagen. Aber sie werfen manchmal ihre Hörner ab und auch nach der Jagd kommt man an das Material. Und manche Knöpfe waren auch einfach nur aus Kunst-Hirschhorn. Das war natürlich billiger. Heute noch trägt man die aus Hirschhorn hergestellten Knöpfe gerne an Trachtenkleidung. Ein anderes Material war Perlmutt. Das lässt sich gut bearbeiten und hält die Farbe, diesen hellen Perlmutterglanz, über Jahrzehnte. Denn auch Bekleidung wurde in früheren Jahrhunderten oft vererbt, da musste auch ein Knopf solange halten...
(siehe Link 1)

Na, du willst ja jeden Sommer neue T-Shirts. Und die sind sowieso ohne Knöpfe. Zur Zeit bist du bei deinem Wachstum entschuldigt. Bist ja schon größer als Oma!

 

Zurück zu Otto!

Otto besaß alsozusammen mit seinem Freund Julius diese Knopfwarenfabrik. Aber sie waren auch miteinander befreundet. So wird Otto Trauzeuge, als Julius am 20. Mai 1919 Grete* Wilhelmine Luzie Schulte heiratet. Julius ist jüdischen Glaubens, Grete evangelisch. Die beiden haben den Krieg überlebt, genauso wie ihre Kinder Hannelore und Ernst. Letzterer hat die Geschichte seiner Familie aufgeschrieben (siehe Link 2)

 

Martha wird wegen guter Leistungen gleich nach der Lehre von der Firma übernommen. Sie macht die Lohnabrechnung und leitet später auch die Expedition für das In- und Ausland.

Wann sie sich in Otto verliebt hat, weiß ich nicht. Auch nicht, warum sie nicht geheiratet haben. Otto ist wie Hertha Zeit seines Lebens unverheiratet. Aber es muss eine sehr schöne Zeit für die beiden gewesen sein. Otto hat ihr einen Anstecker aus Perlmutt in Handarbeit hergestellt, mit ihren Initialien HB. Sie machen viele Reisen zusammen. Alles scheint gut zu werden...

 

Da wird im Januar 1939 die Knopfwarenfabrik „arisiert“.

 

Hattet ihr die Zeit von 1933 bis 1945 schon in der Schule? Falls nicht, erkläre ich dir den Begriff „Arisierung“. So nannten die Nationalsozialisten die Enteignung jüdischer Menschen. Es war schlichtweg Raub, wenn ihnen Wohnungen, Betriebe usw. weggenommen wurden, nur weil die Nazis meinten, ein Jude sei nicht so viel wert wie ein „Arier“. Die Nazis sagten, sie gehören einer „Herrenrasse“ an, seien besser als Juden oder Sinti und Roma.

Zurück zur Knopffabrik.
 Otto leitete sie mit seinem Freund bis 1939. Dann wurde die Firma nicht nur "arisiert", sondern auch liquidiert. Alle Angestellten, auch Hertha, wurden entlassen. Wie Otto die nächsten drei Jahre gelebt hat, weiß ich nicht. Hertha fand schnell wieder Arbeit. Es war trotzdem eine traurige Situation für beide.
1942 musste sich
 Otto zum Transport melden. Otto und Hertha trafen sich vorher heimlich auf einem Friedhof, irgendwo in Berlin.
Ahnten sie, dass sie sich nie wiedersehen würden? Ich habe mich auch immer wieder gefragt, warum ist
 Otto nicht rechtzeitig geflüchtet wie sein Bruder?
Am 28 März 1942 kam er mit dem Transport in Piaski an. Damals war dort ein Konzentrationslager. Es liegt heute in Polen. Hier wurden viele Juden schon bei der Ankunft umgebracht.
Ottos Todesdatum kennen wir nicht.

Hertha starb 1999 mit 91 Jahren. Sie war nie verheiratet und hatte keine Kinder. Von ihrer großen Liebe hat sie erst kurz vor ihrem Tod erzählt.
Geblieben ist nur der Koffer, mit dem sie ihre Reisen mit Otto machte...

Heute ist der Jom haScho’a, der „Tag des Gedenkens an Holocaust und Heldentum“, ein israelischer Nationalfeiertag.
Ich wollte dir gerade heute diese Geschichte schreiben.
Ja, sie ist sehr traurig. Aber wir dürfen auch die traurigen Dinge nicht vergessen und die Menschen, die sie erlebt haben!
So wie
 Otto und Hertha!

Ich drück Dich
Oma

 

PS: Wenn du denkst, die Geschichte ist jetzt zu Ende, dann wundere dich nicht. Oma hat gerade etwas ganz Tolles erlebt! Ein Francois schrieb mich an, aus der Schweiz! Er sei ein entfernter Verwandter der Familie und suche nach einem Heinrich Gottschalk. Also dem Bruder von Otto! Heinrich sei in erster Ehe mit einer Alice Pincus verheiratet gewesen, die aber noch jung 1923 starb. Was ist aus Heinrich geworden? Die Familie hätte nie wieder etwas von ihm gehört.

Ich konnte ihm helfen: Heinrich hatte ein zweites Mal geheiratet. Die Familie konnte rechtzeitig nach England flüchten. Mit seiner zweiten Frau hatte er zwei Mädchen. Dort starb Heinrich 1945 gleich nach Kriegsende. Wahrscheinlich deshalb hat die Schweizer Familie nie wieder etwas von ihm gehört!

Die Schweizer Familie wusste bis dahin nichts von der zweiten Ehe Heinrichs und nichts von seinen Töchtern, den Nichten von Otto...

Du siehst, Hitler hat verloren, das Leben hat gewonnen!

 Noch etwas:

Vor kurzem hat eine Verwandte, fast 90, sich erinnert, dass es ja von meiner Großtante Hertha noch eine Knopfkiste gibt...und wir fanden unter allen möglichen Fotos und Dokumenten meiner Tante auch ein Foto mit ihrem Otto...

Das hat mich angespornt, nun endlich eine Geschichte über Hertha und Otto zu schreiben! Das Foto schicke ich dir mit!

Liebe Grüße aus Berlin

Deine Oma Ingrid

 

Link 1: http://www.knoepfe.info/perlmuttknoepfe/perlmuttknoepfe.html

Link 2: http://siedlung-eichkamp.de/stolpersteine/literatur/Naumann_2003.pdf

Quellen: Urkunden, Unterlagen, Fotos usw. aus dem Familienarchiv Volke

Heiratsregister der Berliner Standesämter 1874 – 1920, Landesarchiv Berlin

Personenstandsregister zu Sterbefällen in den Jahren 1874-1920, Landesarchiv Berlin

 

Aufgeschrieben von Ingrid Biermann-Volke 2019.  Alle Rechte! 

Erschienen über Brandenburgische Genealogische Gesellschaft

 „Roter Adler“ e.V. www.bggroteradler.deAusgabe 1/2019,

Brosche von Otto für Hertha, Foto Ingrid Biermann-Volke
Brosche von Otto für Hertha, Foto Ingrid Biermann-Volke